
08.04.2021
Nötigung im Straßenverkehr: Rasen, Drängeln und Ausbremsen
Deutschland ist Autoland – und nicht jeder hält sich an die Verkehrsregeln. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik werden jährlich im Schnitt mehr als 30.000 Strafanzeigen wegen Nötigung im Straßenverkehr aufgenommen. Die Dunkelziffer ist entsprechend höher. Doch was genau bezeichnet der Begriff „Nötigung“? Welche Verhaltensweisen im Straßenverkehr gelten als solche und wie sollten Opfer am besten reagieren? Dieser Artikel beantwortet die wichtigsten Fragen.
Nötigung im Straßenverkehr: Definition
Ein eigenständiger Paragraph für den Straftatbestand einer „Nötigung im Straßenverkehr“ existiert in deutschen Gesetzestexten nicht. Gerichte orientieren sich an § 240 StGB. Demnach begeht eine Nötigung, wer:
„[...] einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt[...]“.
Ein Verkehrsteilnehmer macht sich folglich einer Nötigung im Straßenverkehr strafbar, wenn er andere mit seinem verkehrswidrigen Verhalten vorsätzlich unter Druck setzt oder belästigt, zu einer unfreiwilligen Handlung oder Reaktion nötigt oder andere Verkehrsteilnehmer gefährdet, indem er beispielsweise einen Verkehrsunfall mit Personen- oder Sachschaden in Kauf nimmt.
Beispiele für den Tatbestand einer Nötigung im Straßenverkehr
Dichtes Auffahren und Drängeln
Wer auf der Autobahn schnell auf ein vorausfahrendes Auto auffährt und dabei regelmäßig die Lichthupe betätigt, begeht eine Nötigung. Eine einmalige Benutzung der Lichthupe hingegen ist erlaubt. Gemäß StVO darf das Überholen auf der Autobahn durch „kurze Schall- oder Leuchtzeichen“ angekündigt werden (§ 5 Abs. 5 StVO).
Grundloses Bremsen
Wer einen Hinterherfahrenden absichtlich ausbremst, nutzt das eigene Fahrzeug als physisches Hindernis. Dies stellt eine ausgeübte Gewaltauswirkung dar und erfüllt den Tatbestand einer Nötigung. Selbiges gilt für Situationen, in denen ein Verkehrsteilnehmer einen anderen vorsätzlich schneidet, so dass dieser bremsen oder ausweichen muss.
Behinderung beim Überholen
Das absichtliche Versperren einer Überholspur, beispielsweise durch das Fahren mit einer niedrigen Geschwindigkeit, stellt ebenfalls eine Nötigung dar – sofern ein dahinter fahrendes Fahrzeug verlangsamen oder die Spur wechseln muss.
Parkplatz blockieren
Werden ein Parkplatz oder eine Zufahrt absichtlich blockiert, liegt eine Nötigung im Straßenverkehr vor. Dies gilt auch für Fälle, in denen ein Fahrzeug von einem anderen so behindert wird, dass es für eine gewisse Dauer nicht fortbewegt werden kann.
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Ob Verkehrsunfall oder Ärger mit der Werkstatt: Schnell kann aus einer Kleinigkeit ein kostspieliges Verfahren werden. Setzen Sie in solchen Fällen auf die zuverlässige Verkehrsrechtsschutz.
Autofahrer anzeigen? Das ist bei einer Nötigung zu tun
Im Straßenverkehr gilt: Ruhe bewahren – auch bei einer Nötigung durch einen anderen Verkehrsteilnehmer. Ist diese jedoch so massiv, dass der Betroffene eine Anzeige für notwendig erachtet, sollten zunächst Details zum Geschehen notiert werden. Dazu zählen beispielsweise:
- Ort, Zeit und Beschreibung des Vorfalls
- Fahrzeugmarke und -farbe des beteiligten Fahrzeugs
- Kennzeichen des beteiligten Fahrzeugs
- Zeugen benennen
Eine Nötigung kann wahlweise persönlich oder per Telefon bei der zuständigen Polizeiwache angezeigt werden.
Im Anschluss leitet die Staatsanwaltschaft die Untersuchung ein. Wird der Täter ermittelt, erhält dieser zunächst einen Fragebogen zum Sachverhalt oder eine Vorladung. Nach Vorladung oder Rücksendung des Fragebogens entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob das Verfahren weitergeführt oder wegen Geringfügigkeit (Bagatelldelikt) eingestellt wird. Typische Gründe für eine Geringfügigkeit sind:
- Es ist kein Schaden entstanden
- Die Schuld des Täters ist gering
- Es besteht kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung
Kommt es jedoch zum Prozess, müssen beide Parteien vor Gericht erscheinen.
Strafgesetzbuch: Nötigung kann ernsthafte Konsequenzen haben
Eine Nötigung ist eine Straftat und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren bestraft werden. In der Praxis werden Nötigungen im Straßenverkehr jedoch sehr unterschiedlich bestraft – je nach Schwere des Falls. Entscheidend für das Strafmaß sind:
- die Intensität der Nötigung, beispielsweise ihre Dauer oder der Abstand zwischen Fahrzeugen
- die Folgen der Nötigung (Sach- oder Personenschäden)
- das Verhalten des Täters, also die Schwere der Tat und etwaige vorherige Verkehrsverstöße
Zusätzlich zur Strafe gemäß Strafgesetzbuch droht bei einer Nötigung auch eine Strafe durch den Bußgeldkatalog. So kann eine Nötigung mit bis zu 3 Punkten im Verkehrszentralregister in Flensburg, einem Fahrverbot von maximal 3 Monaten oder einem Führerscheinentzug bestraft werden. Wird die Fahrerlaubnis entzogen, ordnet das Gericht eine Sperrfrist von mindestens sechs Monaten bis maximal fünf Jahren an, die nach Rechtskraft des Urteils beginnt. In besonders schweren Fällen ist es möglich, dass mehrere dieser Strafen verhängt werden.
Strafe bei Nötigung in der Probezeit
Für Fahranfänger, die sich noch in der Probezeit befinden, gilt eine Nötigung im Straßenverkehr laut StGB als sogenannter A-Verstoß. Neben den geltenden Sanktionen aus dem Bußgeldkatalog drohen für Fahranfänger noch weitere Konsequenzen: Die Probezeit von zwei Jahren wird bei einem A-Verstoß auf vier Jahre verdoppelt. Zusätzlich muss ein sogenanntes Aufbauseminar besucht werden, welches nur in lizenzierten Fahrschulen durchgeführt wird und mit Kosten zwischen 240 und 400 € verbunden ist.
Erfolgt ein weiterer A-Verstoß in der verlängerten Probezeit, erfolgt eine schriftliche Verwarnung. Bei insgesamt drei A-Verstößen wird der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist von mindestens sechs weiteren Monaten folgt. Erst drei Monate vor Ablauf der Sperrfrist können Fahranfänger einen Antrag auf Neuerteilung stellen.
Dieser Blog-Beitrag wurde von unserer Partnerkanzlei VETO Rechtsanwaltsgesellschaft mbH auf rechtliche Korrektheit überprüft.