21.01.2021

Müssen bei einer Betriebsübernahme alle Mitarbeiter übernommen werden?

Ändert sich mein Aufgabenbereich? Wird mein Lohn reduziert oder verliere ich sogar meinen Job? Bei einer Betriebsübernahme ist die Verunsicherung der Belegschaft groß. Häufig möchte der Käufer unrentable Mitarbeiter ausschließen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (kurz: BGB) enthält jedoch klare Vorgaben, wie mit Mitarbeitern und ihren Arbeitsverträgen bei einer Betriebsübernahme zu verfahren ist. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Regelungen übersichtlich zusammen.

Übernahme einer Firma: Mitarbeiter sind Teil des Kaufes

In Deutschland existieren derzeit zwei Arten von Betriebsübernahmen.

Share-Deal

Bei einem Share-Deal erwirbt der Käufer Anteile an einer Kapitalgesellschaft. Dabei gilt: Der Käufer erwirbt seine Anteile stets am ganzen Mantel der Kapitalgesellschaft. Folglich übernimmt er alle Mitarbeiter, die in der gekauften Gesellschaft zum Zeitpunkt des Kaufes angestellt sind. Dies gilt auch dann, wenn der Käufer lediglich einen gewissen Prozentsatz der Kapitalgesellschaft erwirbt. Er kauft zwar nur einen bestimmten (äußeren) Anteil, erhält jedoch alles, was sich im „Inneren“ befindet.

Asset-Deal

Bei einem Asset-Deal erwirbt der Käufer bestimmte Gegenstände aus einer Gesellschaft. Er kann dabei entscheiden, ob er nur einen einzigen Vermögensgegenstand (beispielsweise einen Schreibtisch) oder alle Vermögenswerte einer Corporation erwirbt.

Der Kauf umfasst zunächst nur die Gegenstände, die im Vertrag Erwähnung finden. Sind auch die Mitarbeiter für das Unternehmen und sein Fortbestehen von großer Bedeutung, erwirbt der Käufer sie zwingend – sogar dann, wenn sie nicht Bestandteil des Kaufvertrages waren.

Unternehmensübernahme: Mitarbeiter sind gesetzlich geschützt

Werden im Rahmen eines Share- oder Asset-Deals wesentliche Betriebsgrundlagen erworben, müssen alle damit in Zusammenhang stehenden Mitarbeiter übernommen werden. Die gesetzliche Grundlage bildet § 613a BGB. Darin heißt es unter anderem:

Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.“

Für etwaige Entlassungen von Beschäftigten muss in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegen. Das bedeutet für den Verkauf: Der Verkäufer darf das Angebot nicht attraktiver gestalten und sich im Anschluss darauf berufen, dass er einzelne Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen kann, da wesentliche Betriebsgrundlagen verkauft wurden. Umgekehrt kann der Käufer nicht nach eigenem Ermessen entscheiden, welche Mitarbeiter er übernimmt und welche nicht.

Neuer Arbeitsvertrag nach Betriebsübergang: Ist das möglich?

Nein. Sofern Beschäftigte durch einen geänderten oder neuen Arbeitsvertrag schlechter gestellt werden, ist eine Änderung des Arbeitsvertrages gem. § 613a BGB unzulässig. Dies gilt vor allem dann, wenn der neue Arbeitsvertrag:

  • weniger Urlaubstage vorsieht oder
  • die Anerkennung von Vordienstzeiten auf eine bestimmte Anzahl von Jahren beschränkt.

 

Der Käufer hat jedoch die Möglichkeit, den Beschäftigten ein Vergleichsangebot zu unterbreiten, welches die Arbeitnehmer dazu bewegt, dem Betriebsübergang zu widersprechen. Auf diese Weise können Mitarbeiter gegen eine Abfindungszahlung oder ein anderes, finanzielles Angebot dazu bewegt werden, die Änderung des Arbeitsvertrages zu akzeptieren oder das Beschäftigungsverhältnis im Rahmen eines Aufhebungsvertrages zu beenden.

Kündigungsverbot bei Betriebsübergang

Gemäß § 613a Abs. 4 BGB sind Kündigungen wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils unwirksam. Weiterhin zulässig sind jedoch personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen – auch dann, wenn diese in zeitlicher Nähe zum Betriebsübergang erfolgen (§ 613a Abs. 4 S. 2 BGB).

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes sind bei einem Betriebsübergang auch betriebsbedingte Kündigungen zulässig. Allerdings nur, sofern der Betriebsübergang nicht der tragende Grund, sondern lediglich der äußere Anlass für die Kündigung ist (Az.: 8 AZR 568/04).

Die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

  • Es liegen dringende betriebliche Erfordernisse vor, welche dazu führen, dass der Bedarf an Arbeitsleistungen geringer wird.
  • Es darf keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem Arbeitsplatz geben.
  • Das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung muss das Interesse des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung überwiegen.
  • Der Arbeitgeber hat eine korrekte Sozialauswahl vorgenommen.

 

Betriebsübernahme: Woran kann man die Pflicht zur Mitarbeiterübernahme erkennen?

Die Pflicht zur Mitarbeiterübernahme existiert grundsätzlich dann, wenn ein Betrieb oder Teilbetrieb erworben wird. Als Betrieb ist eine organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln definiert, ein Teilbetrieb ist ein selbstständiger Teil innerhalb eines Unternehmens.

Erwirbt ein Käufer lediglich für den Betrieb wesentliche Vermögensgegenstände (beispielsweise Maschinen), entspricht dies dem Kauf eines Teilbetriebes. Folglich besteht die Pflicht zur Übernahme aller für diesen Betriebsteil wichtigen Mitarbeiter. Welche Mitarbeiter als „wichtig“ zu erachten sind, ist in der Praxis schwer zu entscheiden. Maßgeblich für die Beurteilung sind unter anderem das Direktionsrecht, das der ehemalige Arbeitgeber wahrgenommen hatte sowie die vormalige Einbindung der betroffenen Mitarbeiter in die Unternehmensstrukturen.


Dieser Blog-Beitrag wurde von unserer Partnerkanzlei VETO Rechtsanwaltsgesellschaft mbH auf rechtliche Korrektheit überprüft.

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