16.05.2022

Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit: Welche Handhabe besteht für Unternehmen?

Einfach mal „blau machen“? Vorsicht, das Vortäuschen einer Krankheit stellt eine schwere Vertragsverletzung dar und kann im Einzelfall sogar eine fristlose Kündigung zur Folge haben. Wie genau die Arbeitsunfähigkeit definiert ist, welche gesetzlichen Regelungen gelten und was Unternehmen beim Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit tun können, fasst dieser Artikel zusammen.

Definition Arbeitsunfähigkeit

Der Begriff „Arbeitsunfähigkeit“ (kurz: AU) ist in Deutschland nicht gesetzlich definiert. Nach Definition des Gemeinsamen Bundesausschusses liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor, wenn eine versicherte Person ihre ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung einer Erkrankung ausführen kann.

Wann eine jemand tatsächlich arbeitsunfähig ist, hängt von der konkreten Arbeitsleistung ab, welche am Arbeitsplatz erbracht werden muss. So kann ein Büromitarbeiter mit einem gebrochenen Bein durchaus arbeitsfähig sein, während die gleiche Verletzung eine Beschäftigung als Maschinenführer ausschließt.

Gesetzliche Regelung zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Wer krank ist, muss den Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 1 S.1 Entgeltfortzahlungsgesetz (kurz: EFZG) im Rahmen einer Krankmeldung unverzüglich per Telefon, E-Mail oder Fax darüber informieren. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, müssen Angestellte gem. § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG einen ärztlichen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit  erbringen über:

  • das Bestehen einer AU
  • deren Dauer

 

Aber Achtung: Arbeitgebende Unternehmen haben das Recht, diese Nachweispflicht zu verschärfen. So ist es beispielsweise zulässig, den ärztlichen Nachweis bereits ab dem ersten Tag einzufordern. Einen besonderen Grund – beispielsweise den Verdacht einer Täuschung – müssen Arbeitgeber nicht nachweisen (BAG-Urteil, Az.: 5 AZR 886/11). Es ist jedoch die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich.

Arbeitsunfähigkeit: Was ist währenddessen erlaubt?

Was viele Arbeitnehmende nicht wissen: Eine Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht, dass Angestellte während ihrer Krankheit stets zu Hause bleiben müssen. Eine normale Lebensführung ist unter Beachtung der ärztlichen Anweisungen zur Genesung erlaubt. So können beispielsweise Spaziergänge, Sport und sogar der Besuch eines Schwimmbades zulässig sein – sofern die Art der Erkrankung bzw. Verletzung nicht dagegenspricht.

Was begründet den Verdacht auf eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit?

Häufig kennen Unternehmen den Grund für die Arbeitsunfähigkeit eines Teammitglieds nicht. Folglich können sie kaum erkennen, ob eine angestellte Person die Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht. Es gibt jedoch Indizien, die für eine vorgetäuschte Krankheit sprechen:

  • Ein Teammitglied ist auffällig oft nur für kurze Dauer krank.
  • Die Arbeitsunfähigkeit tritt regelmäßig am Wochenanfang/Wochenende oder vor Beginn eines Urlaubes auf.
  • Ein Teammitglied wird bei Freizeitaktivitäten angetroffen, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen.

 

Auch der ärztliche Nachweis selbst kann Fragen aufwerfen. Beispielsweise dann, wenn Beschäftigte für mehr als drei Tage rückwirkend krankgeschrieben wurde (vgl. LAG Köln, Az.: 4 Sa 588/03).

Verdacht auf vorgetäuschte Krankheit: Das können Unternehmen tun

Beim Anzweifeln der Arbeitsunfähigkeit eines Teammitglieds haben arbeitgebende Betriebe verschiedene Möglichkeiten. So ist es zulässig, Krankenbesuche durchzuführen oder das Gespräch mit dem betroffenen Teammitglied zu suchen. Dieses ist jedoch nicht verpflichtet, der Führungskraft oder dem Kollegium Auskünfte über die Krankheit zu erteilen.

Besteht der begründete Verdacht einer vorgetäuschten Krankmeldung, kann der Medizinische Dienst der Krankenkassen (kurz: MDK) hinzugezogen werden. Dieser darf Angestellte zur medizinischen Begutachtung einbestellen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Dabei haben Arbeitgeber Tatsachen vorzubringen, die die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen. Dies kann beispielsweise der Nachweis darüber sein, dass das Teammitglied auffällig oft nur für kurze Zeit erkrankt oder regelmäßig am Beginn oder am Ende einer Woche arbeitsunfähig ist.

Die Rechte von Unternehmen im Falle einer vorgetäuschten Krankheit sind jedoch begrenzt. Zwar dürfen Chefs ihren Angestellten hinterherfahren, um zu schauen, wie diese ihren Tag verbringen. Dabei müssen jedoch die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. So ist ein Ausspionieren im Haus des Teammitglieds ebenso unzulässig, wie die Überwachung per Foto- oder Videokamera.

Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit: Ist das zulässig?

Angestellte haben grundsätzlich eine Nachweispflicht bei Arbeitsunfähigkeit. Sie müssen ihrem Arbeitgeber zum vorgeschriebenen Zeitpunkt ein ärztliches Attest über ihre Arbeitsunfähigkeit vorlegen. Bei wiederholten Verstößen gegen diese Pflicht und nach einer Abmahnung droht eine verhaltensbedingte Kündigung. Entsteht dem Betrieb aufgrund dieses Fehlverhaltens ein Schaden, bestehen unter Umständen sogar Schadenersatzansprüche gegenüber dem Arbeitnehmenden. Werden die erforderlichen Informationen nachgereicht, gilt die Nachweispflicht rückwirkend als erfüllt. Das Unternehmen muss die ggf. verweigerte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nachholen.

Auch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung bei Arbeitsunfähigkeit ist möglich. Wer eine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht und sich auf diese Weise eine ungerechtfertigte Lohnfortzahlung erschleicht, begeht einen Betrug zu Lasten des Unternehmens. Bei einer derartigen Straftat kann – je nach Einzelfall – sogar eine vorherige Abmahnung entbehrlich sein.

Welche Möglichkeiten haben Unternehmen bei einer Kündigungsschutzklage?

Bei einer vermeintlich unwirksamen Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit haben Arbeitnehmende gem. § 4 KSchG die Möglichkeit, innerhalb von 3 Wochen nach Zustellung der Kündigung eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Voraussetzung:

  • Es handelt sich nicht um einen Kleinbetrieb und
  • das Arbeitsverhältnis besteht länger als 6 Monate.

 

Im Rahmen der Kündigungsschutzklage überprüft das Arbeitsgericht, ob das Arbeitsverhältnis wirksam beendet wurde. Dazu wird das Unternehmen verpflichtet, die Kündigungsgründe offenzulegen. Stellt das Gericht die Unwirksamkeit der Kündigung fest, besteht das Arbeitsverhältnis zunächst fort.

Arbeitgebende Unternehmen haben jedoch im Vorwege die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage – beispielsweise gegen Zahlung einer Abfindung – abzuwehren. Um die Sachlage umfassend zu erörtern, ist ein Rechtsbeistand von Vorteil. Eine zuverlässige Firmen-Rechtsschutzversicherung hilft bei der Suche nach einem kompetenten Anwalt.

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Der eingestellte Blog-Beitrag wurde von unserer Partnerkanzlei ALEGOS Rechtsanwälte juristisch überprüft.

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