19.02.2018 – zuletzt aktualisiert am: 11.04.2022

Arbeitsunfall: Was tun als Unternehmen und Beschäftigte?

Unternehmen haben für die Sicherheit am Arbeitsplatz Sorge zu tragen und vorbeugende Maßnahmen zur Unfallverhütung zu ergreifen, damit es gar nicht erst zu einem Arbeitsunfall im Unternehmen kommt. Trotz aller Vorsorge ist ein Arbeitsunfall in der Praxis jedoch schnell passiert. Dann gilt es für Unternehmen und Beschäftigte, die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Welche Rechte und Pflichten Unternehmen und Arbeitnehmende im Zuge der Unfallprävention am Arbeitsplatz haben und welche Angaben für die Meldung eines Dienstunfalls wichtig sind, erläutert dieser Artikel.

Was gilt als Arbeitsunfall?

Ein Arbeitsunfall ist ein „zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt“ (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII) und das während der Arbeitstätigkeit passiert.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) fasst die Definition eines Arbeitsunfalls sogar noch weiter: Demnach zählen als Arbeitsunfälle solche Unfälle, die

  • auf dem (direkten) Weg zur Arbeit oder von dort nach Hause,
  • im Homeoffice,
  • während des Betriebssports, eines offiziellen Betriebsausflugs oder einer Dienstreise


passieren. Doch es gibt auch Grenzfälle.

Dienstunfall, Wegeunfall oder doch privat?

Handelt es sich um einen Arbeits- oder Wegeunfall, greift die gesetzliche Unfallversicherung. In der Praxis ergeben sich für Verunfallte jedoch häufig Unsicherheiten darüber, ob ein Unfall als Arbeitsunfall oder Freizeitunfall anzusehen ist: Wenn man beispielsweise im Homeoffice arbeitet und mit dem Fuß umknickt, macht es dann einen Unterschied, ob man dabei zum Laptop geht oder zur Kaffeemaschine?

Welche Rahmenbedingungen für die Einordnung als Dienstunfall, Wegeunfall oder Freizeitunfall im Detail gelten, zeigt dieser Überblick:

Dienstunfall

Ein Dienstunfall ist ein Arbeitsunfall einer Person im Dienst- oder Amtsverhältnis. Als Dienstunfall gilt auch ein Unfall, der während einer Dienstreise geschieht. Voraussetzung für die Anerkennung als Dienstunfall ist, dass zwischen Tätigkeit und Unfall eine enge ursächliche Verknüpfung besteht, beispielsweise ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang. Ein Unfall während einer Raucherpause zählt demnach nicht als Dienstunfall, da das Rauchen als Privatvergnügen gilt. Der Gang zur Toilette hingegen ist durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt.

Was gilt im Homeoffice?

Laut einem Urteil des Bundessozialgerichts kommt es bei der Anerkennung als Arbeitsunfall darauf an, ob der zurückgelegte Weg „unternehmensdienlich“ ist. Wer etwa aufsteht, um sich in der Küche einen Kaffee zu holen, ist in diesem Fall nicht unfallversichert. Funktioniert hingegen das Internet nicht, welches für die Arbeit benötigt wird, gelten andere Regeln: So ist der Gang zum Router abgesichert, weil der Weg unternehmensdienlich ist. Auch der Weg zum Faxgerät wäre versichert, wenn im dienstlichen Sinne ein Fax verschickt werden muss.

Erweiterter Schutz im Homeoffice seit Juni 2021

Im Homeoffice sind die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem oft undeutlich, das gilt auch für Unfälle, die im Homeoffice passieren. Im Mai 2021 wurde zur Klarstellung deshalb das Betriebsrätemodernisierungsgesetz verabschiedet. Waren Arbeitnehmer vorher im Homeoffice nur auf Betriebswegen versichert, die direkt mit der Tätigkeit in Verbindung stehen, wurde der Versicherungsschutz nun erweitert:

Analog zur Unfallversicherung im Betrieb wurde der Schutz von Beschäftigten ausgeweitet auf Wege, die etwa zur Nahrungsaufnahme oder zum Toilettengang dienen. Auch die Wege zur externen Kinderbetreuung sind nach dem neuen Gesetz für im Homeoffice Arbeitende versichert.

Wegeunfall

Geschieht ein Unfall auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit, ist dies als Wegeunfall versichert. Dazu gehören unter bestimmten Voraussetzungen auch Umwege, etwa um Kinder in eine Betreuung zu bringen oder um Fahrgemeinschaften zu bilden. Ist aufgrund einer Baustelle eine Umleitung eingerichtet und der direkte Weg dadurch nicht möglich, ist auch der Umweg abgesichert. Als Wegeunfall gilt ein Unfall auf dem Arbeitsweg jedoch nur, sofern dieser Weg nicht unterbrochen wurde, um andere, private Dinge zu erledigen wie zum Beispiel das Einkaufen im nächstgelegenen Supermarkt.

Freizeitunfall

Ein Unfall, der in keinem kausalen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht, gilt grundsätzlich als Freizeitunfall. Für Angestellte besteht darüber hinaus kein Versicherungsschutz bei privaten Tätigkeiten, auch wenn diese im Betrieb ausgeführt werden. Dies ist der Fall, wenn Angestellte beispielsweise während der Mittagspause stolpern und sich dabei verletzen. 

Fazit: In jedem Fall sollten Unfälle auf dem Arbeitsweg oder im Homeoffice genau wie der im Betrieb gemeldet und dokumentiert werden. Dieser Abschnitt zeigt auf, wie ein Arbeitsunfall korrekt gemeldet wird!

Unfallprävention am Arbeitsplatz: Pflichten von Unternehmen

Das beste Mittel gegen Arbeitsunfälle ist die Prävention. Dazu gehören alle organisatorischen Maßnahmen, die dem Gesundheitsschutz und der Sicherheit aller Beschäftigten dienen. Das Spektrum der Möglichkeiten ist breit und reicht von Schutzausrüstungen über ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze bis hin zu Sicherheitsunterweisungen.

Doch die Sicherheitsvorschriften sind je nach Branche und Arbeitsplatz sehr unterschiedlich: Natürlich gilt es, die jeweils relevanten staatlichen Bestimmungen zu befolgen, beispielsweise das Arbeitsschutzgesetz, die Gefahrstoffverordnung, das Gerätesicherheitsgesetz oder die Strahlenschutzverordnung. Letztendlich ist der Betrieb dafür zuständig, die Gefährdung der Beschäftigten zu beurteilen und entsprechende Schutzmaßnahmen anzuordnen.

Unfallprävention nach DGUV-Vorschrift

Um ihrem Präventionsauftrag nach § 14 SGB VII nachzukommen, hat der Spitzenverband der Unfallversicherungsträger DGUV Vorschriften erlassen, welche als Grundlage für betriebliche und berufsgenossenschaftliche Präventionsarbeit dienen. Die wichtigsten Inhalte der DGUV-Vorschriften im Überblick:

  • Die Pflichten für Unternehmen aus dem staatlichen Arbeitsschutz gelten auch für Versicherte, die nicht beim Unternehmen beschäftigt sind
  • Überträgt ein Unternehmen die Aufgaben auf Versicherte, muss es sicherstellen, dass die Versicherten dazu in der Lage sind, die Maßnahmen auch zu beachten
  • Unternehmen mit mehr als 20 regelmäßig Beschäftigten müssen Sicherheitsbeauftragte bestellen. In §20 Abs 1 der DGUV-Vorschrift sind genauere Kriterien für die Beauftragung festgelegt
  • Unternehmen müssen Beschäftigte regelmäßig in Arbeitsschutzmaßnahmen unterweisen und die Arbeitsbedingungen und Gefährdung am Arbeitsplatz beurteilen
  • Versicherte müssen das Unternehmen in seiner Unfallpräventionsarbeit unterstützen und Gefahren unverzüglich melden
  • Unternehmen müssen Personal und Sachmittel für wirksame Erste Hilfe bereitstellen

 

Die Rolle von Sicherheitsbeauftragten bei der Unfallprävention

Bei größeren Unternehmen wird die Unfallprävention teilweise delegiert, zum Beispiel an Sicherheitsbeauftragte, Führungskräfte oder externe Dienstleister.

Sicherheitsbeauftragte sind oft Beschäftigte, die in ähnlichen räumlichen, zeitlichen und fachlichen Bereichen arbeiten wie ihre Mitarbeitenden. Das besondere an ihnen ist, dass sie vor allem eine unterstützende und beratende Funktion einnehmen und nicht hauptamtlich arbeiten. Dadurch sind sie am nächsten an potentiellen Risiken und können diese an Führungskräfte kommunizieren.

Sicherheitsbeauftragte achten unter anderem auf

  • Den Zustand und die Nutzung von Schutzeinrichtungen und Schutzausrüstung
  • Sicherheitstechnische Mängel
  • Die Einweisung von Mitarbeitenden in den sicheren Umgang mit den Arbeitsmitteln

 

Wichtig: Die Verantwortung für das Treffen von Maßnahmen zur Unfallprävention bleibt beim Unternehmer. Steht nach einem Arbeitsunfall der Vorwurf im Raum, der Arbeitgeber sei der Verpflichtung zur Unfallprävention nicht ausreichend nachgekommen, unterstützt eine zuverlässige Firmenrechtsschutzversicherung bei der Abwehr ungerechtfertigter Forderungen.

Arbeitsunfall melden: So geht’s richtig

Wem und wie muss ein Arbeitsunfall gemeldet werden? - Dazu gibt es strenge Vorgaben. Für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen besteht bei einem Arbeitsunfall eine Meldepflicht. Die Meldung muss an die Unfallversicherung erfolgen, die in dieser Situation die Kosten tragen soll. Ist die verunfallte Person länger als drei Tage arbeitsunfähig, hat das Unternehmen darüber hinaus die Pflicht, der Versicherung sofort mitzuteilen, was passiert ist (§ 193 SGB VII). Die Meldung sollte innerhalb einer Frist von drei Tagen erfolgen, bei schwerwiegenden Verletzungen oder dem Tod des Arbeitnehmers am besten umgehend.

Checkliste: Wichtige Angaben bei einem Arbeitsunfall

Wenn der Ablauf eines Unfalls geschildert wird, kommt es darauf an, exakt und wahrheitsgemäß zu formulieren. Die wichtigsten Angaben sind:

  • Wo und wann ist der Unfall passiert?
  • Wie hat sich der Unfall zugetragen?
  • Wer wurde verletzt?
  • Welche Verletzungen genau?
  • Wann wurde Erste Hilfe geleistet?
  • Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen wurden durchgeführt?
  • Wer hat die Erste-Hilfe-Maßnahmen durchgeführt?
  • Welche Zeugen gab es?

Arbeitsunfall: Wer zahlt?

Verantwortlich für die Sicherheit der Mitarbeitenden ist die Unternehmensführung. Deshalb muss sie für ihre Mitarbeitenden Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung abführen – und zwar als Zwangsversicherung. Damit schützen sich Unternehmen nicht nur selbst gegen Forderungen, sondern auch alle anderen Beschäftigten, die eventuell einen Arbeitsunfall von Mitarbeitenden verschulden könnten. Im Fall der Fälle zahlt die gesetzliche Unfallversicherung.

Rolle der Berufsgenossenschaft bei einem Arbeitsunfall

Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften. Es gibt derzeit neun gewerbliche Berufsgenossenschaften, die nach Wirtschaftszweigen wie Bauwirtschaft, Transport und Verkehrswirtschaft oder Nahrungsmittel und Gastgewerbe gegliedert sind. Daneben existieren noch landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften sowie andere Sozialversicherungsträger, etwa für den öffentlichen Dienst.

Damit die Berufsgenossenschaft den Arbeitsunfall anerkennt und die Beschäftigten entsprechend Ansprüche auf die Zahlung erheben können, muss diese korrekt, rechtzeitig und vollständig informiert werden. Eine Anerkennung als Arbeitsunfall ist Voraussetzung für verschiedene Leistungen, etwa das Verletztengeld oder die Unfallrechte.

Um nach einem Arbeitsunfall finanziell abgesichert zu sein, ist es deshalb für Unternehmen ebenso wie für Beschäftigte wichtig, alle nötigen Anforderungen für eine Anerkennung zu erfüllen. Sollte es zu Problemen bei der Anerkennung eines Arbeitsunfalls kommen, empfiehlt sich eine anwaltliche Unterstützung.

Unser Tipp: Eine Berufsrechtsschutzversicherung der DEURAG bietet beispielsweise Versicherungsschutz bereits außergerichtlich für Widerspruchsverfahren, die den versicherten Verfahren vor deutschen Sozialgerichten vorangehen. 

Lohnfortzahlung nach einem Unfall

Schadenersatzansprüche der BG

Beschäftigte bekommen nach einem Arbeitsunfall sechs Wochen lang weiterhin ein normales Gehalt vom Unternehmen, danach springt die Krankenversicherung ein.

Krankengeld wird nach einem Arbeitsunfall nicht gezahlt, stattdessen erhalten Mitarbeitende ein sog. Verletztengeld. Dieses wird in der Regel von der Berufsgenossenschaft bezogen, aber oft über die Krankenkasse ausgezahlt. Außerdem kommt die Berufsgenossenschaft auch für weitere Kosten auf, wie zum Beispiel für Rehabilitationsmaßnahmen oder notwendige Umgestaltungsmaßnahmen der Wohnung. 

 

Kommt eine Führungskraft ihrer Schutzpflicht gegenüber den Mitarbeitenden nicht nach, kann bei einem Unfall die Berufsgenossenschaft den Anspruch auf Schadensersatzforderungen erheben (Urteil vom 22.05.2014, Az. 2 U 574/12). Im Falle eines Arbeitsunfalls zahlt zwar trotzdem erst einmal der Versicherungsträger. Ist der Unfall aber aufgrund grober Fahrlässigkeit vonseiten des Unternehmens entstanden, muss dieses die Summe ersetzen. Dies gilt auch, wenn der oder die Geschädigte im Rahmen einer Leiharbeit beschäftigt ist. Abhängig von dem genauen Umstand des Unfalls können sogar Ansprüche gegen das Unternehmen bestehen, auch wenn vertraglich eigentlich eine Arbeitnehmerhaftung festgelegt ist.

Nach Arbeitsunfall: Kündigung möglich?

Können Beschäftigte wegen eines Dienstunfalls entlassen werden? Oder sind diese im Gegenteil sogar besonders geschützt? Letztlich bestehen bei einer Kündigung nach einem Arbeitsunfall die gleichen Anforderungen wie in anderen Situationen: Das Unternehmen muss sich an die gesetzlichen Fristen halten und die Kündigung darf nicht sitten- oder treuwidrig sein.

Gerichte können Kündigungen beispielsweise für ungültig erklären, wenn der berechtigte Verdacht auf Rachemotive besteht oder das Ziel, das Verschulden des Unfalls zu vertuschen. Auch wenn die Kündigung auf eine verletzende Art und Weise kommuniziert wurde, kann das die Kündigung unwirksam machen.

Hält sich das Unternehmen aber an die gesetzlichen Vorgaben, ist eine Kündigung auch nach einem Arbeitsunfall durchaus rechtens. Eine Firmen-Rechtsschutzversicherung hilft Firmen und Selbstständigen ihr Recht im Falle einer ungerechtfertigten Kündigungsschutzklage durchzusetzen.

Arbeitsunfall und Kündigung während der Probezeit: Was gilt?

Auch in der Probezeit gelten diese Vorgaben, allerdings ist die Kündigungsfrist hier oft deutlich kürzer. Damit können Beschäftigte auch nach einem Arbeitsunfall in der Probezeit kurzfristig entlassen werden – solange es nicht treu- oder sittenwidrig geschieht.

Besteht das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen, steht dem oder der Beschäftigten allerdings eine Lohnfortzahlung zu.

Rechtsschutz-Tipp für das Berufsleben

Berufsrechtsschutz

Viele Arbeitnehmer schrecken vor einem Rechtsstreit zurück, weil sie die Kosten scheuen. Mit einer Berufs-Rechtsschutzversicherung können Sie in jedem Fall ganz gelassen bleiben.

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Dieser Blog-Beitrag wurde von unserer Partnerkanzlei ALEGOS auf rechtliche Korrektheit überprüft.

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