22.06.2023

Sachlicher Grund im Arbeitsrecht: Was Arbeitgebende wissen müssen

Ob Befristung des Arbeitsvertrages, Freistellung oder eine unterschiedlich hohe Prämienzahlung: Viele Vorgänge im Arbeitsrecht müssen begründet werden. Dabei erfordert der Gesetzgeber regelmäßig einen sogenannten „Sachgrund“. Was genau sich dahinter verbirgt und in welchen Bereichen eine sachliche Begründung tatsächlich notwendig ist, erläutert dieser Artikel.

Was ist ein Sachgrund? - Definition

Der Begriff „Sachgrund“ ist im Arbeitsrecht nicht eindeutig definiert. Aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 3 AZR 56/14) lässt sich ableiten, dass sachliche Gründe vorliegen, wenn die Änderung eines Vertrages, einer Leistung oder ähnlichem auf

  • willkürfreien
  • nachvollziehbaren und
  • anerkennenswerten


Umständen und Erwägungen beruhen.

Welche Sachgründe zulässig sind, entscheidet sich je nach Bereich und Einzelfall.

Befristung mit Sachgrund: Sachliche Gründe für befristete Arbeitsverträge

Vor allem bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen ist die Begrifflichkeit des Sachgrundes essentiell. Eine kalendermäßige Befristung ohne Sachgrund ist gem. § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (kurz: TzBfG) nur bis zu einer Dauer von 2 Jahren zulässig.

Ein laufender Vertrag darf nur bis zu dreimal verlängert werden, ohne dass dabei die vorgeschriebene Höchstdauer überschritten wird.

Beispiel: Ein 6 Monate befristeter Arbeitsvertrag wird vor Ende dreimal verlängert – auf insgesamt 18 Monate. Das ist zulässig, denn die Höchstdauer von 24 Monaten wird nicht überschritten.

Bei einer Befristung mit Sachgrund existiert jedoch keine derartige zeitliche Höchstgrenze. In § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG hat der Gesetzgeber mögliche Sachgründe für eine Befristung definiert. Dazu zählen:

In § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG hat der Gesetzgeber mögliche Sachgründe für eine Befristung definiert. Dazu zählen:

  • ein lediglich vorübergehender Arbeitskräftebedarf
  • eine Erstanstellung der arbeitnehmenden Person (bspw. im Anschluss an ein Studium)
  • die Vertretung einer verhinderten Teamkraft
  • Gründe in der Person des Arbeitnehmenden, z.B. wenn diese nur über einen befristeten Aufenthaltstitel verfügt, der sehr wahrscheinlich nicht verlängert wird 

In diesem Zusammenhang lesenswert: An welche Voraussetzungen der Gesetzgeber eine Entfristung des Arbeitsvertrages knüpft.

Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es Unternehmen, ihre Arbeitnehmenden ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln. Das gilt vor allem für eine Schlechterstellung aufgrund:

  • des Geschlechts
  • der ethnischen Herkunft
  • sowie der Weltanschauung oder Religion.

Beispiel: In einem Betrieb arbeiten 20 männliche und 10 weibliche Arbeitskräfte. Während die männlichen Angestellten 20 Euro pro Stunde verdienen, beträgt der Verdienst der weiblichen Mitarbeitenden lediglich 15 Euro pro Stunde. Gibt es für die geringere Bezahlung keinen Sachgrund i.S.d. § 20 AGG, liegt ein Fall der (unzulässigen) geschlechtsbedingten Lohndiskriminierung vor.

Eine vergleichbare Ungleichbehandlung kann jedoch durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. So ist es z.B. zulässig, Mitarbeitenden, die bereits länger im Betrieb sind als andere, mehr Weihnachtsgeld zu zahlen. Der Sachgrund läge hier in der Würdigung der Betriebstreue.

Auch kann neu eingestellten Beschäftigten mehr Lohn gezahlt werden als solchen, die bereits im Betrieb tätig sind. Die arbeitsrechtliche Vertragsfreiheit hat Vorrang.

Tipp: Arbeitnehmende können sich gegen eine unrechte Behandlung am Arbeitsplatz wehren, sei es bei einer unsachgemäßen Befristung, Ungleichheit oder anderen Prozessen. Die DEURAG Berufsrechtsschutzversicherung unterstützt bei einer außergerichtlichen Mediation und bei weiteren rechtlichen Schritten, damit Beschäftigte Ihre Rechte und Ansprüche gegenüber dem Unternehmen vertreten können. 

Lese-Tipp: Welchen besonderen Schutz genießen Schwangere in der Probezeit

Sachliche Gründe für Prämienzahlung

Bereits im Oktober 2022 wurde die vom Bundestag beschlossene Inflationsprämie im Bundesgesetzblatt verkündet. Sie ist im „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“ enthalten und ergänzt § 3 Nr. 11c des Einkommensteuergesetzes (kurz: EStG).

Die Inflationsprämie – auch als Inflationszulage bezeichnet – kann von Unternehmen im Zeitraum zwischen dem 26.10.2022 und 31.12.2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen an die Mitarbeitenden ausgezahlt werden. Die maximale Auszahlungssumme liegt bei 3.000 Euro und ist steuer- sowie abgabenfrei.

Hier nachlesen: Alle wichtigen Informationen erfahren Interessierte im unserem Beitrag über die Inflationsprämie.

Dabei müssen Arbeitgebende zwingend den Gleichbehandlungsgrundsatz im Blick behalten. Verschiedenen Mitarbeitenden ohne sachlichen Grund unterschiedlich hohe Inflationsprämien auszuzahlen, ist nur in bestimmten Fällen möglich. Zulässig wäre beispielsweise eine Differenzierung nach der Einkommenssituation oder eine Berücksichtigung etwaiger Unterhaltspflichten einzelner Arbeitnehmenden.

Auch bei Teilzeitarbeitenden kann die Prämie lediglich anteilig – gemessen am Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit zur Vollzeitarbeitszeit – ausgezahlt werden.

Sachliche Gründe für Widerruf einer Versorgungszulage

Betriebliche Versorgungsleistungen stehen gem. Art. 14 GG unter dem Eigentumsschutz. Sie sind Teil des Entgelts des Arbeitnehmenden, eine einseitige Änderung der Versorgungszulage durch den Betrieb ist nur mit einem sachlichen Grund möglich.

Ein Widerruf einer Versorgungszulage kann beispielsweise dann sachlich begründet sein, wenn die Pflichtverletzung eines Mitarbeitenden zu einer Existenzgefährdung des Arbeitgebenden geführt hat. Auch in Fällen, in denen eine Teamkraft die Versorgungsanwartschaft nur durch die Vertuschung schwerer Verfehlungen erschlichen hat, wäre ein Widerruf zulässig.

Sachliche Gründe für Freistellung

Soll eine beschäftigte Person unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werden, ist hierfür ein sachlicher Grund erforderlich.

Mögliche Sachgründe für eine Freistellung sind beispielsweise:

  • der Wegfall des Arbeitsplatzes und das Fehlen einer alternativen Einsatzmöglichkeit (z.B. bei einer betriebsbedingten Kündigung)
  • ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot oder eine Konkurrenztätigkeit seitens des Arbeitnehmenden
  • die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen

Lese-Tipp: Dieser weiterführende Artikel erklärt, wann eine Kündigung durch einen arbeitgebenden Betrieb überhaupt zulässig ist.

Nicht immer stoßen sachliche Gründe im Arbeitskontext auf Akzeptanz bei den Beschäftigten. Kommt es zu ungerechtfertigten Forderung gegenüber dem Unternehmen, unterstützt eine Firmen-Rechtsschutzversicherung und bietet Kostenschutz für rechtliche Auseinandersetzungen.

Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens: Sachlicher Grund erforderlich

Ein Sachgrund ist ebenfalls notwendig, wenn ein öffentlicher Dienstherr ein Stellenbesetzungsverfahren abbrechen möchte. Dieser sachliche Grund muss den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügen.

Dies wäre unter anderem der Fall, wenn der Dienstherr den Ausgang des Auswahlverfahrens als unbefriedigend empfindet, beispielsweise, weil keine der eingegangenen Bewerbungen die Anforderungen erfüllt oder das Auswahlverfahren selbst (nicht behebbar) mangelhaft ist.

Ein Abbruch wäre auch dann zulässig, wenn der Dienstherr die Stelle gar nicht mehr besetzen oder neu zuschneiden möchte (vgl. Urteil OVG Bremen, Az.: 2 B 71/11).

Darüber hinaus wäre der Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens sachlich begründet, wenn sich der Dienstherr entschließt, einen breiteren Interessentenkreis anzusprechen, um die Stelle bestmöglich zu besetzen (vgl. Urteil BverwG, Az.: 2 C 14/98).

Exkurs: Unser Artikel zum Thema Arbeitszeugnis befasst sich mit Fällen, in denen eine schlechte Bewertung sachlich begründet werden muss.

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