14.03.2024

Sozialauswahl bei einer Kündigung: Das gilt es zu beachten

Um Ungerechtigkeiten bei betriebsbedingten Kündigungen zu vermeiden, gibt es im deutschen Arbeitsrecht die sogenannte Sozialauswahl. Was genau sich hinter diesem Begriff verbirgt, wie eine Sozialauswahl abläuft und welche Kriterien gelten, fasst dieser Artikel zusammen.

Was bedeutet Sozialauswahl und wann muss sie durchgeführt werden?

Der Begriff „Sozialauswahl“ steht für verschiedene Kriterien, die Arbeitgeber bei der Auswahl des oder der zu kündigenden Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin berücksichtigen müssen.

Eine Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen ist gemäß § 1 Kündigungsschutzgesetz (kurz: KSchG) immer dann durchzuführen, wenn:

  • das Unternehmen mehr als 10 Mitarbeitende beschäftigt
  • die Anzahl der für die Kündigung infrage kommenden Teamkräfte höher ist als die Zahl der geplanten Kündigungen
  • die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen seit mehr als 6 Monaten im Betrieb beschäftigt, also nicht in der Probezeit sind und unter das Kündigungsschutzgesetz fallen

Ein Beispiel: Ein Unternehmen beschäftigt 45 Verkaufskräfte in drei Filialen, die jeweils flexibel in allen drei Filialen eingesetzt werden. Aufgrund schlechter Verkaufszahlen soll eine Filiale (15 Mitarbeitende) geschlossen werden. Da es 15 geplante Entlassungen, aber 45 Kündigungskandidaten gibt, muss das Unternehmen mithilfe einer Sozialauswahl festlegen, welchen Mitarbeitenden gekündigt werden soll.

Entspricht die Anzahl der geplanten Kündigungen jedoch exakt der Anzahl der für die Kündigung in Frage kommenden Mitarbeitenden, muss keine Sozialauswahl vorgenommen werden. Auch bei einer kompletten Betriebsschließung und damit der Entlassung der gesamten Belegschaft ist keine Sozialauswahl erforderlich.

Die Unterschiede kennen: fristlose Kündigung, außerordentliche Kündigung und Änderungskündigung.

Wie läuft eine Sozialauswahl bei einer Kündigung ab?

Eine Sozialauswahl lässt sich in drei Schritte einteilen.

Zunächst muss das Unternehmen ermitteln, welche Beschäftigten für eine Kündigung in Frage kommen. Hierbei wird eine sogenannte Vergleichsgruppe gebildet. Diese Gruppe umfasst alle Teamkräfte, die auf derselben Stufe der Betriebshierarchie liegen und daher untereinander ausgetauscht werden können.

Beispiel: Ein Unternehmen beschäftigt in drei Filialen jeweils 10 Verkaufskräfte, 3 spezialisierte Beratungskräfte und 1 Filialleitung. Hieraus ergeben sich drei Vergleichsgruppen, eine für die Verkaufskräfte (30 Beschäftigte), eine für die Beratungskräfte (9 Beschäftigte) und eine für die Filialleitung (3 Beschäftigte). Bei einer Kündigung ist die Sozialauswahl in jeder Gruppe für sich vorzunehmen.

Hinweis: Horizontal vergleichbare Arbeitnehmende sind solche, die auf der gleichen Hierarchieebene oder in ähnlichen Positionen innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation arbeiten. Sie haben in der Regel ähnliche Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Qualifikationen.

Mit Hilfe der gesetzlichen Sozialauswahl-Kriterien (mehr dazu im nächsten Absatz) erstellt das Unternehmen für jede Vergleichsgruppe eine Rangordnung, die die soziale Schutzbedürftigkeit der darin befindlichen Arbeitnehmenden widerspiegelt.

Gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG können Arbeitgeber einzelne Teamkräfte von der Sozialauswahl ausschließen. Hierfür kommen beispielsweise Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen in Frage, die aufgrund ihrer Fähigkeiten oder Kenntnisse eine besondere Stellung im Unternehmen haben, oder welche zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im Betrieb erforderlich sind.

Beispiel: Teamleiter Müller spricht als einziger die Fremdsprache eines wichtigen Kunden oder Kundin und ist daher für das Unternehmen von besonderem Wert.

Sozialauswahl: Diese Kriterien gelten

Gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG sind bei einer Sozialauswahl folgende Kriterien zu beachten:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit, also der ununterbrochene Bestand des Arbeitsverhältnisses
  • Lebensalter des Arbeitnehmers
  • etwaige Unterhaltspflichten
  • eine Schwerbehinderung, welche gem. § 152 SGB IX festgestellt werden muss

 

Diese Kriterien sollen die soziale Schutzbedürftigkeit der jeweiligen Teamkraft bestimmen. Es gilt, dass die Schutzbedürftigkeit beschäftigten Person umso stärker ist:

  • je länger sie im Betrieb ist
  • je höher ihr Lebensalter ist
  • je umfangreicher ihre Unterhaltspflichten sind
  • je stärker sie durch eine Schwerbehinderung beeinträchtigt ist

 

Bei der Gewichtung der Kriterien haben Arbeitgeber einen Ermessensspielraum. Sie dürfen Kriterien nach eigenem Maß gewichten, sofern die einzelnen Kriterien jeweils ausreichend berücksichtigt wurden. Es gibt jedoch Ausnahmen: Legt ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine Richtlinie eine Gewichtung der Kriterien fest, sind Unternehmen an diese Regelung gebunden.

Punktesystem bei einer Sozialauswahl

In der Praxis hat sich bei der Sozialauswahl ein Punktesystem bewährt.

Beispiel: Für die Betriebszugehörigkeit erhalten Angestellte pro Beschäftigungsjahr zwei Punkte, für das Lebensalter kommt pro Jahr ein Punkt hinzu. Pro unterhaltspflichtigem Kind gibt es 10 Punkte, bei Vorliegen einer Behinderung werden pro Grad der Behinderung 0,2 Punkte angerechnet. Ein 50-jähriger Arbeitnehmer, der seit 5 Jahren im Betrieb arbeitet, ein Kind hat und zu 40 Prozent eingeschränkt ist, erhält folglich 78 Punkte (10+50+10+8). Diese Punktzahl kann nun mit dem Scoring anderer betroffener Teamkräfte verglichen werden.

Hat der Arbeitgeber die Sozialauswahl fehlerhaft durchgeführt oder gänzlich unterlassen, ist eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam. Betroffene können in einem solchen Fall eine Kündigungsschutzklage anstreben. Eine zuverlässige Berufsrechtsschutzversicherung unterstützt Beschäftigte bei der Durchsetzung von Ansprüchen zum Beispiel, wenn gegen eine ungerechtfertigte Abmahnung oder Kündigung vorgegangen werden soll.

Kündigung mit Sozialplan: Was gilt bei einem Interessensausgleich mit Namensliste?

Bei Betriebsänderungen mit vielen Entlassungen (z.B. der Schließung einer bedeutenden Abteilung) müssen Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über einen Interessensausgleich verhandeln. Dieser soll die entstehenden finanziellen Nachteile ausgleichen, oder zumindest abmildern.

Hier weiter informieren: Wann besteht ein Abfindungsanspruch?

Eine Vereinbarung über den Interessensausgleich wird in einem sogenannten Sozialplan festgehalten. Dieser definiert, in welcher Form und Höhe die wirtschaftlichen Folgen für Arbeitnehmende bei einer absehbaren Betriebsänderung abgemildert bzw. ausgeglichen werden.

Wichtig: Stimmt der Betriebsrat einem Sozialplan zu, in dem die zu kündigenden Teamkräfte namentlich genannt werden (sog. Interessensausgleich mit Namensliste), hat das Konsequenzen.

Denn bei einem gerichtlichen Streit über die Wirksamkeit der Kündigung wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Beschäftigte, die auf einer solchen Namensliste stehen, haben folglich wenig Chancen auf eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage.

Ebenfalls gut zu wissen: Wann ist eine Kündigung überhaupt rechtens?

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