28.09.2023

Ungleichbehandlung von Mitarbeitenden: So kann man sich wehren

Urlaub, Weihnachtsgeld oder Sonderzahlungen: Arbeitgebende müssen ihre Beschäftigten gleich behandeln. So will es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Dieser Artikel klärt, was das für die Praxis bedeutet und welche Ausnahmen es gibt.

Gleichbehandlungsgrundsatz: Was besagt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz: AGG) existiert seit 2006. Es hat den Zweck, Personen vor Benachteiligungen zu schützen, die auf Grund von:

  • Alter
  • Geschlecht
  • Rasse
  • ethnischer Herkunft
  • Religion oder Weltanschauung
  • sexueller Identität/Orientierung oder
  • einer Behinderung

 

erfolgen.

Welche Bedeutung hat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht?

Das AGG gilt für alle Bereiche des öffentlichen Lebens – folglich auch für die Arbeitswelt. Es ergänzt den sog. arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Demnach sind Unternehmen verpflichtet, vergleichbare Mitarbeitende gleich zu behandeln und für ein benachteiligungsfreies Arbeitsumfeld zu sorgen.

Das bedeutet: Arbeitgebende dürfen bei begünstigenden Maßnahmen gegenüber ihren Mitarbeitenden keine einzelnen Arbeitnehmenden aus willkürlichen Gründen schlechter stellen als andere.

Ein Beispiel: Von 15 Teamkräften erhalten 14 ein halbes Monatsgehalt als Weihnachtsgeld. Lediglich eine Person – die sich bei ihrer vorgesetzten Person unbeliebt gemacht hat – geht leer aus. Dies wäre ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, da alle 15 Mitarbeitende in puncto Weihnachtsgeld miteinander vergleichbar sind.

Wichtig: Das AGG verbietet lediglich willkürliche Schlechterstellungen – nicht jedoch Besserstellungen. Erhalten von 15 Mitarbeitenden 14 ein halbes Gehalt als Weihnachtsgeld, die 15. Teamkraft – als Liebling der Geschäftsführung – jedoch ein volles Gehalt, stellt dies keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz dar.

Wann liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor?

Damit sich aus einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch ableitet, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Es besteht ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien. Sich bewerbende Personen sind gem. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG bereits angestellten Personen gleichgestellt.
  • Die ungleiche Begünstigung betrifft mehrere Arbeitnehmende.
  • Die Arbeitnehmenden sind in Bezug auf ihre Qualifikation oder ihren Verantwortungsgrad vergleichbar.
  • Die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz hat keinen sachlichen Grund, sondern ist willkürlich.

 

Wissenswert: Was genau ist ein sachlicher Grund im Arbeitsrecht?

Wie können Arbeitnehmende eine mögliche Ungleichbehandlung feststellen?

Für die Beweislast reicht es aus, wenn eine arbeitnehmende Person auf eine bestehende Ungleichbehandlung hinweist. In der Folge ist es am Betrieb, die Entscheidungskriterien – beispielsweise die Grundlage für unterschiedlich hoch ausfallende Sonderzahlungen – zu erläutern.

Darüber hinaus erkennt die aktuelle Rechtsprechung einen Auskunftsanspruch von Mitarbeitenden gegenüber ihrem Unternehmen an – sofern sie wissen, dass andere Teamkräfte Begünstigungen erhalten haben. Das bedeutet: Der arbeitgebende Betrieb muss auf Nachfrage einer mitarbeitenden Person Angaben zu fehlenden Informationen machen.

So können sich Arbeitnehmende gegen Ungleichbehandlung wehren

Betroffenen stehen bei einer Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz verschiedene Rechte zu:

  • Beschwerde
    Beschäftigte haben zunächst das Recht auf eine Beschwerde bei einer vorgesetzten Person (§ 13 AGG). Diese muss inhaltlich geprüft und mit der betroffenen Person besprochen werden.
  • Leistungsverweigerung bei Belästigung
    In Fällen einer (sexuellen) Belästigung sieht der Gesetzgeber sogar ein Recht auf Leistungsverweigerung vor (§ 14 AGG). Jedoch nur dann, wenn der arbeitgebende Betrieb keine oder keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergreift oder gar nicht erst auf die Beschwerde reagiert. Allerdings ist die Arbeitsverweigerung schriftlich beim arbeitgebenden Betrieb anzukündigen, um einen Verstoß gegen die Leistungspflicht zu vermeiden.
  • Entschädigung und Schadensersatz
    Gemäß § 15 AGG sind Entschädigungen (für immaterielle Schäden) und Schadenersatz (für materielle Schäden) zentrale Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Ein Anspruch auf Schadenersatz besteht – anders als bei der Entschädigung – jedoch nur dann, wenn der arbeitgebende Betrieb die Pflichtverletzung vorsätzlich oder fahrlässig zu vertreten hat.

 

Wichtig: Sowohl der Anspruch auf Entschädigung als auch Schadenersatzansprüche müssen gem. § 15 Abs. 4 AGG innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Nur wenn ein Tarifvertrag vorhanden ist und dort eine andere Frist vereinbart wurde, geht diese vor. Weigert sich der arbeitgebende Betrieb zu zahlen, kann nach drei Monaten Klage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. Die DEURAG Berufsrechtsschutz hilft Betroffenen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche.

Formen der Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz: typische Beispiele

Gemäß § 3 AGG sind verschiedene Formen der Benachteiligung bzw. Diskriminierung verboten. Dazu zählen:

Unmittelbare Benachteiligungen

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine arbeitnehmende Person aufgrund eines in § 1 AGG genannten Grundes schlechter behandelt wird. Beispielsweise dann, wenn verheiratete, weibliche Teamkräfte nur aufgrund ihres Geschlechts und ihres Ehestandes von der betrieblichen Altersvorsorge ausgeschlossen werden.

Mittelbare Benachteiligungen

Mittelbar ist eine Benachteiligung, wenn scheinbar neutrale Vorschriften oder Kriterien bestimmte Personengruppen diskriminieren. Bei einer derartigen Benachteiligung gilt der Diskriminierungsschutz für ein bestehendes Arbeitsverhältnis, also z.B. für Beförderungen, Arbeitsbedingungen und Kündigung. Beispiel: Mitarbeiter A wird bei einer Beförderung bevorzugt, nur weil Mitarbeiterin B (die ebenfalls für die Beförderung in Frage kommt) schwanger ist.

In Bezug auf Arbeitsbedingungen ist eine mittelbare Benachteiligung z.B. gegeben, wenn Teilzeitarbeitende ohne sachlichen Grund einen niedrigeren Stundenlohn als Vollzeitarbeitende erhalten oder morgens früher anfangen müssen zu arbeiten.

Wissenswert: Was genau ist ein sachlicher Grund?

Belästigung oder Mobbing

Eine Benachteiligung wird zur Belästigung, wenn eine arbeitnehmende Person aufgrund einer der in § 1 AGG genannten Gründe erniedrigt, angefeindet oder beleidigt wird. Welche Rechte Arbeitnehmende bei übler Nachrede oder Verleumdung haben, klärt dieser Artikel.

Mobbing ist eine spezielle Form der Belästigung, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Es ist beispielsweise dann gegeben, wenn Teamkräfte eine bestimmte Person regelmäßig wegen ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung erniedrigen.

Wichtig für Arbeitnehmende: Wann ist eine Kündigung rechtens?

Gleichbehandlungsgrundsatz: Was gilt beim Gehalt?

Grundsätzlich dürfen Arbeitgebende ihre Arbeitnehmenden für gleiche Arbeit ungleich entlohnen. Der Grund: Die Vertragsfreiheit wäre weniger wert, wenn Betriebe bei Einstellungen nicht über den Lohn verhandeln könnten.

Eine Ausnahme besteht allerdings bei sogenannten Lohnwellen. Das sind Situationen, in denen vergleichbare Arbeitnehmende eine Lohnerhöhung oder Zusatzzahlung in gleicher Höhe oder auf gleicher Berechnungsbasis erhalten. In so einem Fall sind alle Betroffenen – trotz Vertragsfreiheit – gleich zu behandeln.

Keine ungleiche Bezahlung wegen des Geschlechts erlaubt

Auch Fälle, in denen eine ungleiche Bezahlung eine Diskriminierung im Sinne des AGG wäre, lassen die Vertragsfreiheit hinter den Gleichbehandlungsgrundsatz zurücktreten. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn Person A aufgrund ihres Geschlechts oder Alters weniger Gehalt erhalten würde als Person B (vgl. BAG-Urteil, Az.: 8 AZR 450/21).

Interessant: Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz begründet keinen Anspruch auf Entfristung eines Arbeitsvertrages (vgl. BAG-Urteil, Az.: 7 AZR 513/07).

Ausnahmen: Gibt es zulässige Ungleichbehandlungen am Arbeitsplatz?

Nicht unter das AGG fallen Ungleichbehandlungen von Arbeitnehmenden, die durch die Anforderungen der Branche begründet sind. So ist es beispielsweise zulässig, in Stellenanzeigen ausdrücklich weibliche Personen anzusprechen, wenn die zukünftige Teamkraft als Model Damenoberbekleidung bewerben soll.

Darüber hinaus dürfen kirchliche Einrichtungen offene Stellen mit Personen besetzen, die ihrer Glaubensgemeinschaft angehören.

Und: Ist eine sich bewerbende Person aufgrund einer Behinderung nicht in der Lage, eine ausgeschriebene Position auszufüllen, verstößt eine Absage nicht gegen das AGG – sofern keine behindertengerechte Gestaltung der Arbeitstätigkeit möglich ist.

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Der eingestellte Blog-Beitrag wurde von unserer Partnerkanzlei ALEGOS Rechtsanwälte juristisch überprüft.

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